Marktbericht KW 9: Die USA stürzen über die Fiskalklippe – und Gold fängt die Anleger auf

Am Freitagmorgen um 6 Uhr deutscher Zeit hat für die Vereinigten Staaten von Amerika die Stunde der Wahrheit geschlagen: Als auch in den USA der 1. März angebrochen war, ist das passiert, was seit Monaten erwartet wurde und zuletzt nur durch Haushaltstricksereien verzögert werden konnte: Die größte Volkswirkschaft der Welt ist über die gefürchtete Fiskalklippe gestürzt. Seit Monatsbeginn regiert also kein Präsident oder Parlament mehr über den US-amerikanischen Haushalt, sondern ein fataler Automatismus: Die Ausgaben werden ab sofort systematisch gekürzt, fast alle Bereiche des öffentlichen Lebens sind betroffen. Monat für Monat werden es 85 Milliarden Dollar sein.

Der Sturz über die Fiskalklippe am 1. März 2013 macht deutlich, in welchem Zustand sich die Supermacht USA tatsächlich befindet. Eigentlich wurden die automatischen Einschnitte vom Weißen Haus und dem Kongress im Sommer 2011 beschlossen, um eine Selbstverpflichtung bei der Defizitbekämpfung zu erreichen. In der Vergangenheit wurde der Sturz über die Fiskalklippe dagegen wiederholt hinausgezögert. Jetzt hat das monatelange Warten ohne Kompromiss brutale Auswirkungen auf den Alltag der Amerikaner, wie US-Präsident Barack Obama höchstpersönlich am Donnerstag erklärte: Gefangene müssten freigelassen werden, weil sich der Staat ihre Bewachung nicht mehr leisten kann. Bereits jetzt musste der Einsatz eines Flugzeugträgers abgesagt und eine dringend nötige Reparatur verschoben werden. „Staatsanwälte werden Fälle schließen müssen. Das heißt auch: Sie werden Kriminelle laufen lassen müssen“, sagte Obama.

Es ist erstaunlich, dass die weltweiten Aktienmärkte noch am Vorabend des Sturzes über die Fiskalklippe florierten und rege Zuwächse verzeichneten – die Auswirkungen der automatischen Ausgabenkürzungen in den USA wurden hier offenbar bis zuletzt unterschätzt. Tatsächlich werden sich die 85 Milliarden US-Dollar, die bis zum Jahresende automatisch eingespart werden, im Haushalt sofort bemerkbar. Im Vergleich zu den Belastungen, die auf das US-Budget künftig zukommen, ist der „sequester“ aber noch überschaubar. Denn auf den Staat rollen massive Renten-, Pensions- und Altersversorgungsansprüche zu.

Vor diesem Hintergrund wirken die Gerüchte, nach denen die US-Notenbank FED ihr Anleihe-Ankaufprogramm und damit die Politik des lockeren Geldes früher als geplant einstellen möchte, geradezu lächerlich. Der FED bleibt gar keine andere Wahl: Die US-Konjunktur lahmt seit Monaten, eine Umkehr des Negativtrends ist nicht in Sicht. Aktuell pendelt die Arbeitslosenquote um 8 Prozent – die FED wollte ursprünglich das „quantitative easing“ einstellen, wenn die Arbeitslosenquote unter 6,5 Prozent gesunken ist. Doch in den nächsten Monaten dürfte sich der aktuelle Wert von 8 Prozent eher nach oben als nach unten bewegen: Der Nobelpreisträger Paul Krugman hat vorgerechnet, dass der „sequester“ in den USA mindestens 700.000 Jobs vernichten und einen Einbruch des Wirtschaftswachstums um 1,5 Prozent kosten wird.

Nachdem das letzte Protokoll des Offenmarktausschusses der FED vor einigen Wochen den Goldpreis auf Talfahrt geschickt hat, stellte FED-Präsident Ben Bernanke am Mittwoch unmissverständlich klar, was von den Stimmen innerhalb der Notenbank zu halten ist, die mit der lockeren Geldpolitik brechen möchten: Bernanke verteidigte das Anleihe-Ankaufprogramm. Nach seinen Berechnungen soll aktuell der Nutzen von „QE3“ gegenüber den Kosten überwiegen. Laut Bernanke wird die ultra-lockere Geldpolitik bis zu einer „deutlichen“ Verbesserung des Arbeitsmarktes fortgeführt – dieses Machtwort sorgte am Mittwoch dafür, dass der Goldpreis innerhalb eines Tages um zwei Prozent zulegte. Der Tiefpunkt bei 1170 Euro ist in weite Ferne gerückt, die wichtige Marke bei 1200 Euro wurde zurückerobert und in den vergangenen Tagen mehrfach verteidigt.In wenigen Tagen wurde ein Teil der Verluste der vergangenen Wochen wieder ausgeglichen, es besteht allerdings Luft nach oben: Die Hochstände bei 1300 Euro liegen noch entfernt. Die Hausse könnte jedoch schon in den nächsten Tagen, wenn sich keine Lösung für die Fiskalklippe abzeichnet, an Dynamik aufnehmen.

Unterdessen gibt es auch aus Europa keine positiven Nachrichten, die ein Ende der Euro- und Schuldenkrise erahnen lassen. So will auch EZB-Präsident Mario Draghi die lockere Geldpolitik fortführen: „Wir sind weit davon entfernt, an eine Abkehr davon zu denken“, sagte Draghi. Immer stärker wird deutlich, dass die europäischen Partner auch für Zypern zur Kasse gebeten werden. Das Land stemmt sich vehement gegen einen Schuldenschnitt. Der neue Präsident Nicos Anastasiades machte am Donnerstag deutlich, dass er eine umgehende Einigung über ein Rettungspaket wünscht, einen Schuldenschnitt aber kategorisch ablehnt. Ursprünglich sollten auch die Kontoinhaber an einer Rettung beteiligt werden – auch diesen Schritt lehnt die Regierung in Nikosia ab. Bezahlen wird am Ende vor allem der deutsche Steuerzahler: Im Jahr 2010 hat Deutschland insgesamt 9,22 Milliarden Euro an die Organe der EU gezahlt. Immer mehr Geld werden die Euro-Partner auch für Italien locker machen müssen: Das südeuropäische Land ist längst mit mehr als zwei Billionen Euro verschuldet, die Wirtschaft soll 2013 weiter schrumpfen – und mit der Wahl vom Sonntag und Montag ist eine stabile und sparfreudige Regierung in weite Ferne gerückt.

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