Marktbericht KW 6 – „Niemand hat die europäischen Wirtschaftsprobleme bisher gelöst“
Nach vielen Rückschlägen und regelmäßigen Marktberichten, die ein Ende der Goldhausse voraus gesagt haben, hat nun offenbar die Aufholjagd auf dem Goldmarkt begonnen: Nach einem verhaltenen Start hat der Goldpreis auf Eurobasis gestern weiteren Boden gut gemacht und startete am Freitagmorgen bei etwa 1250 Euro pro Feinunze in den Handel. Zwar liegt das Allzeithoch bei 1.386,31 Euro noch in weiter Ferne, doch der Tiefpunkt bei etwa 1220 Euro ist offenbar auch Geschichte.
Die Wertentwicklung der vergangenen Tage hat eindrucksvoll deutlich gemacht, warum das Preispotenzial beim Goldpreis auch in diesem Jahr groß ist: Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag den Leitzins für die Eurozone unverändert auf seinem derzeitigen historischen Tief von 0,75 Prozent belassen. Insbesondere die Aussage des EZB-Präsidenten Mario Draghi, den starken Euro-Kurs genau zu beobachten, drückte die zuletzt starken Notierungen der europäischen Gemeinschaftswährung – die Folge: Während gestern der Goldpreis in Dollar stagnierte, legte er auf Eurobasis um etwa ein Prozent zu. Viele Marktbeobachter rechnen damit, dass die EZB den starken Euro früher oder später drücken muss, um die Wettbewerbsfähigkeit der Währung zu erhalten. Dies bedeutet aber auch: Inflation. Und davon profitiert der Goldpreis.
Von der vermeintlichen Entspannung in der Euro-Krise ist unterdessen wenig zu spüren: Die Angst um Spanien und Italien ist zurück gekehrt. In Spanien besteht die Gefahr, dass der als eiserner Sparer und Sanierer bekannte Ministerpräsident Mariano Rajoy über eine Schmiergeldaffäre stolpert – der Konsolidierungskurs des Landes wäre damit vorbei. Das Gleiche erwarten Marktbeobachter in Italien: Silvio Berlusconi erfährt immer mehr Zuspruch, zuletzt nach dem Skandal bei einer italienischen Privatbank. Und der umstrittene Lebemann ist ein entschiedener Gegner von harten Sparmaßnahmen.
Auf dem Aktienmarkt ist derzeit eindrucksvoll zu beobachten, wohin der gestiegene Risikoappetit führt, der seit Jahresbeginn als neuer Anlagetrend des Jahres 2013 gefeiert wurde – nach der Deutschen Bank hat auch die Commerzbank enttäuschende Zahlen vorgelegt. Der DAX hat in den vergangenen Tagen mehr als 250 Punkte verloren, die Hürde bei 8000 Punkten ist in weite Ferne gerückt.
Als wertvolle Unterstützung für den Goldpreis hat sich in diesem Jahr insbesondere die starke Nachfrage aus China entwickelt. Bereits im vergangenen Jahr ist eine Rekordmenge von 834 Tonnen Gold von Hongkong nach China geflossen, damit hat sich das Handelsvolumen verdoppelt. Für die Chinesen ist Gold zum sicheren Hafen geworden, nachdem die Aktienmärkte eine wahre Achterbahnfahrt erleben.
Im Schatten des Goldes hat sich in den vergangenen Wochen ein anderes Metall besonders gut entwickelt und Gold inzwischen sogar überholt: Platin notiert derzeit über dem Wert des gelben Metalls und hat ein 17-Monats-Hoch erreicht. Auch das Angebotsdefizit bei Palladium dürfte sich im Jahr 2013 verschärfen – im Vorjahr fehlten 915.000 Unzen auf dem Markt. Anleger sollten bei Platin und Palladium allerdings die hohe Mehrwertsteuer von 19 Prozent berücksichtigen.
Wer glaubt, dass die Krise in Europa vorbei ist und ein sicherer Hafen wie Gold anstelle von risikoreichen Anlagen an Bedeutung in den Hintergrund drängt, sollte sich eine Analyse der Ratingagentur Fitch näher anschauen: Agenturdirektor Ed Fitch glaubt, dass ein Ende der Krise in Europa solange nicht greifbar ist, bis eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung einsetzt – dieser Zustand ist nach Beobachtung von Fitch noch lange nicht erreicht. Insbesondere weist Fitch darauf hin, dass das zwingend nötige Wachstum in Europa nicht eingesetzt hat und somit ein Widerstand gegen die Sparprogramme zunehmen werde.
Tatsächlich spricht eine Reihe von Rahmenbedingungen für eine Fortsetzung der Goldhausse – der Internationale Währungsfonds rechnet für das aktuelle Jahr mit einem zweiten Jahr des wirtschaftlichen Rückgangs in der Eurozone. Der IWF geht auch davon aus, dass Spanien noch tiefer in die Rezession rutscht. Auch Gary Cohn, Präsident von Goldman Sachs, hat in dieser Woche die Beobachtung der Ratingagentur Fitch bestätigt: “Niemand hat nach meiner Ansicht die europäischen Wirtschaftsprobleme bisher gelöst”.
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