Marktbericht KW 46 – Wann kommt der nächste Schuldenschnitt für Griechenland?

Seit einigen Tagen geht ein totgeglaubtes Schreckgespenst in Europa um – die Rede ist vom Schuldenschnitt. Während Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble diesen Schritt noch kategorisch ablehnt, holen ausgewiesene Finanzmarktexperten die Deutschen auf den Boden der Tatsachen zurück: „Ein Schuldenschnitt für Griechenland ist unausweichlich“, sagte beispielsweise Clemens Fuest, Wirtschaftsprofessor in Oxford. Ähnliche Positionen nahmen in den vergangenen Tagen mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute sowie aktive und frühere Mitglieder des Wirtschafts-Sachverständigenrats ein. Auch der deutsche EU-Kommissar Günter Oettinger, CDU-Mitglied und Merkel-Vertrauter, hält einen weiteren Schuldenschnitt Griechenlands für „zwingend“. Der Internationale Währungsfonds, immerhin Mitglied der Griechenland-Troika, hatte einen solchen Schritt bereits seit längerem gefordert. Die Begründung des IWF: Der griechische Schuldenstand kann nur durch einen Schuldenschnitt auf ein tragfähiges Niveau gesenkt werden.

In der neuen Woche dürfte sich also der weitere Kurs der Euro-Rettung entscheiden. Immerhin tickt in Griechenland die Schulden-Uhr: Die nächste Hilfstranche von 31,5 Milliarden Euro sollte längst am 12. November freigegeben werden und verzögert sich bis heute. Am Dienstag kommt die Eurogruppe zu einem Sondertreffen zusammen, bei dem offenbar nur eine Teillösung bis 2014 beschlossen wird. Allerdings ist bislang noch unklar, wie die neue Finanzierungslücke von 13,5 Milliarden Euro geschlossen werden kann, die bis 2014 im griechischen Haushalt klaffen wird. Falls der von vielen Seiten geforderte Schuldenschnitt kommt, wird es diesmal auch für den deutschen Steuerzahler teuer: Etwa zwei Drittel des griechischen Schuldenberges von über 300 Milliarden Euro steht in den Büchern öffentlicher Geldgeber.

Neben der Griechenland-Rettung ist ein weiter Krisenherd in den vergangenen Wochen in den Hintergrund gerückt: In Spanien steht die erste Auszahlung aus dem bereits vereinbarten Hilfsprogramm für marode spanische Banken näher. Ursprünglich sollten die spanischen Banken bis zu 100 Milliarden Euro bekommen, die spanische Regierung schätzt den Finanzierungsbedarf auf „nur“ 40 Milliarden Euro. Weitere 10 Milliarden Euro dürften nach Zypern gehen. Der kleine Inselstaat befindet sich dauerhaft in einer wirtschaftlich und finanziell schwierigen Lage und hatte bereits angedeutet, unter den Euro-Rettungsschirm zu schlüpfen.

Belastet wird der Goldpreis derzeit durch die Unsicherheit um eine sogenannte Fiskalklippe in den USA. Bislang ist nicht absehbar, ob sich die Demokraten und Republikaner, die im US-Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, auf einen neuen Haushalt für das Jahr 2013 einigen können. Wenn kein Budget beschlossen wird, treten zum neuen Jahr automatische Steuererhöhungen in Kraft, die zwangsläufig eine Rezession hervorrufen würden. Die Verhandlungen haben bereits begonnen, sollen sich aber über Wochen hinweg ziehen. Immerhin stehen viele Positionen der Republikaner im deutlichen Gegensatz zur Linie des US-Präsidenten, der beispielsweise Reiche mit höheren Steuern belegen will. Unterdessen wird eine Ausweitung des Kaufprogramms für Hypothekenpapiere ins Gespräch gebracht – die US-Notenbank FED sammelt derzeit Ramschpapiere im Wert von 40 Milliarden Dollar pro Monat vom Markt auf. Falls sich die Anzeichen für ein viertes „quantitative easing“, also eine geldpolitische Lockerung, verdichten, dürfte auch der Goldpreis davon profitieren.

In der neuen Woche steht allerdings ein Kursfeuerwerk bei den Edelmetallen bevor – am vergangenen Donnerstag wurde bekannt, dass die Sicherheitsleistungen beim Terminhandel mit Gold und Silber um bis zu 28 Prozent gesenkt werden. Im Klartext: Für Spekulanten wird es deutlich günstiger, an der US-Terminbörse Comex in Gold- und Silber-Futures einzusteigen. Die Änderungen werden ab Dienstag wirksam. Im vergangenen Jahr hatte der Comex-Betreiber, die CME Group, die Margins für Silber-Kontrakte und später auch bei Gold in kurzer Zeit mehrfach erhöht und damit die Wertnotierungen für Gold und Silber in den Keller geschickt. Jetzt, wo der Handel durch geringere Sicherheitsleistungen erleichtert wird, dürften die Edelmetallpreise weiter steigen und eine kleine Jahresendrallye in Angriff nehmen.

Befeuert wird die Nachfrage nach Gold auch durch traditionelle „Diwali“-Fest in Indien, welches in der vergangenen Woche begonnen hat. Und in diesem Jahr zeigt sich, dass Schmuck nicht mehr erste Wahl ist bei der Geschenkwahl – Barren, Münzen und auch ETFs sind stärker gefragt. Mehrere indische Zeitungen prognostizieren, dass in diesem Jahr beim „Diwali-Fest“ erstmals mehr Geld in Münzen und Barren gesteckt werden. In Deutschland sind nicht zuletzt wegen des Runs auf Gold in Indien optimistische Preisprognosen zu hören: Die Deutsche Bank geht von einem Goldpreis von 2000 US-Dollar bis zum Jahresende aus – Gold hätte damit im 12. Jahr in Folge einen Wertzuwachs erfahren.

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