Marktbericht KW 43: Nach der Haushaltskrise ist vor der Haushaltskrise

Die Finanzmärkte kannten in den vergangenen Wochen nur ein Thema: Der Streit zwischen Demokraten und Republikanern um eine Lösung des US-amerikanischen Haushaltsstreits wurde zur unendlichen Geschichte. Immer wieder trafen sich beide Seiten, immer wieder gingen sie ohne Einigung auseinander. Als dann am 16. Oktober, nur wenige Stunden vor dem Sturz in den haushaltspolitischen Abgrund, ein Kompromiss auf dem Tisch lag, fiel die Reaktion der Finanzmärkte eindeutig aus: Das Vertrauen in den US-Dollar war offenbar nachhaltig beschädigt, auch die Aktienmärkte verzeichneten Verluste. Der große Sieger: Gold.

Der Zickzack-Kurs von Washington hat eindrucksvoll gezeigt, dass der US-Haushaltsstreit ein dauerhafter Begleiter für alle Anleger sein wird. Immerhin sind die Staatsschulden der USA nur einen Tag, nachdem die Schuldenobergrenze angehoben wurde, von 16,7 auf 17,03 Billionen US-Dollar angestiegen. Ein so starker Zuwachs innerhalb von nur einem Tag lässt nur den Schluss zu, dass die Schulden vorher künstlich unter der offiziellen Grenze belassen wurden. Und der Kompromiss, der in letzter Minute ausgehandelt wurde, verschiebt das Problem nur um wenige Monate: Bis zum 7. Februar 2014 darf sich die Regierung neues Geld leihen, dann steht der nächste Sturz über die Fiskalklippe bevor. US-amerikanischen Medienberichten zufolge liegen die Steuereinnahmen um etwa zwei Milliarden US-Dollar unter den Ausgaben – pro Tag. Ein weiterer Anstieg des Schuldenberges der USA ist also vorprogrammiert.

So nimmt inzwischen auch wieder die Bedeutung von Gold als „sicherem Hafen“ zu – nicht nur, weil die Auswirkungen des „government shutdowns“ auf die US-Konjunktur noch nicht absehbar sind. Auch die Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten macht deutlich, dass an eine Trendwende und eine damit verbundene Reduzierung der geldpolitischen Lockerungen nicht zu denken ist. Denn die Arbeitsmarktdaten in den USA für September sind deutlich schwächer ausgefallen – Gold und Silber reagierten auf diese Nachrichten mit deutlichen Kurssprüngen. Denn die FED hatte eine Rücknahme der geldpolitischen Lockerungen an eine Arbeitslosenquote von 6,5 Prozent gebunden, der tatsächliche Wert liegt jedoch weiterhin bei 7,2 Prozent. Besorgniserregend ist vor allem die niedrige Partizipation der US-Amerikaner am Arbeitsmarkt: Die Zahl der Menschen, die ihre Jobsuche aufgegeben haben, steigt rapide und hat erstmals die Marke von 90 Millionen überschritten.

Das ein sicherer Hafen wie Gold wichtiger denn je ist, wurde in dieser Woche auch anhand einer weiteren peinlichen Nachricht deutlich: Kaum war das Haushaltsproblem der USA „gelöst“, stand eine andere Institution vor der Zahlungsunfähigkeit: Die Brüsseler EU-Kommission hatte vor einem drohenden Bankrott der EU gewarnt und deutlich gemacht, dass bereits ab Mitte November die EU-Kommission ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen könnte. Ein dringend benötigter Nachtragshaushalt im Umfang von 3,9 Milliarden Euro wurde ursprünglich nicht bewilligt. Inzwischen wurde die Zahlungsunfähigkeit der Kommission abgewendet – eine dauerhafte Lösung ist jedoch auch in Brüssel nicht in Sicht, weil die EU-Mitgliedsstaaten die Zahlungen an die EU eigentlich minimieren und keine zusätzlichen Milliarden an Brüssel überweisen wollen.

Dennoch kann sich die EU nicht vorhalten lassen, nicht um eine Lösung ihrer Probleme bemüht zu sein. Die Ideen muten allerdings kurios an: Die Defizite der Mitgliedsstaaten sollen neu berechnet und dadurch künstlich kleingerechnet werden – offenbar wird eine neue Formel entwickelt, mit der die Berechnung des so genannten „strukturellen Defizits“ der Mitgliedsländer anders gestaltet wird. Die neue Formel soll insbesondere Spanien und die übrigen südeuropäischen Länder in ein besseres Licht rücken. Somit stünden künftig solche Krisenstaaten mit hoher Arbeitslosigkeit deutlich besser da als bisher. Zuletzt hatte die Europäische Union mit einem neuen Rekordschuldenstand auf sich aufmerksam gemacht, der Brutto-Gesamtschuldenstand im Euroraum ist im vergangenen Jahr von 87,3 Prozent auf 90,6 Prozent gestiegen.

Wenn die Schulden steigen, wird Gold von immer mehr Anlegern als Versicherung gegen Geldentwertung und Inflation verstanden. Allerdings ist das gelbe Metall nicht überall gern gesehen – in Indien bemüht sich die Regierung immer stärker, der Bevölkerung den „sicheren Hafen“ zu vermiesen. Das Aufgeld für Großhändler und Schmuckproduzenten wurde nun gegenüber der Vorwoche wiederholt erhöht – inzwischen werden 100 US-Dollar Aufpreis pro Feinunze fällig, vorher waren es noch 40 US-Dollar. Goldimporteure müssen zudem seit einigen Wochen 20 Prozent des eingeführten Goldes für den erneuten Export reservieren. Viele Händler und Schmuckproduzenten haben nun ihre Arbeit eingestellt – dagegen blüht der Schmuggel von Edelmetallen auf, denn viele Inder möchten nicht auf das gelbe Metall verzichten.

Die Chancen stehen gut, dass sich der Goldpreis in den kommenden Wochen weiter erholt. Die Nachfrage bewegt sich auf Rekordniveau, wie praktisch alle großen Münzprägestätten bestätigen: Beispielsweise sind von dem mehr als 50 Millionen Mal geprägten Ein-Unzen-Stück des südafrikanischen Krügerrand verschiedene Jahrgänge nahezu komplett ausverkauft, kleinere Stückelungen werden gerade fast überhaupt nicht geprägt, um der Nachfrage nach der Unzen-Münze gerecht werden zu können. Die Prägestätte in Pretoria schiebt Sonderschichten, um die Nachfrage zu befriedigen. Und auch die Perth Mint in Australien muss derzeit Doppelschichten einrichten. Offenbar ist nach der kurzzeitigen Verschnaufpause im US-Haushaltsstreit deutlich geworden, dass an ein Ende der Staatsschuldenkrise und der Politik des billigen Geldes auf absehbare Zeit nicht zu denken ist.

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