Marktbericht KW 36 – Gute Zeiten für Gold, schlechte Zeiten für Papiergeld
Der „goldene“ Herbst hat begonnen: Als am Mittwochnachmittag die ersten Details zu den Plänen der Europäischen Zentralbank – die EZB will die Staatsanleihen hochverschuldeter Euro-Länder in unbegrenzter Höhe aufkaufen – durchsickerten, drehte der Goldkurs erneut ins Plus und startete am Donnerstag stark in den Handel. Die psychologisch wichtige Marke von 1700 US-Dollar, die noch vor wenigen Wochen unüberwindbar schien, wurde innerhalb weniger Minuten genommen – ein starkes Kaufsignal aus Sicht der Analysten. Das Ende der monatelangen Edelmetallflaute dürfte endgültig erreicht sein.
Bereits am vergangenen Freitag hat der Goldpreis eindrucksvoll bewiesen, dass das Edelmetall als Krisenschutz nötiger denn je ist – als US-Notenbankchef Ben Bernanke bei der jährigen Sitzung des FED-Offenmarktausschusses abermals keine neue geldpolitische Lockerung ankündigte, legte der Goldpreis prompt um 1,8 Prozent auf 1687 Dollar zu. Noch dynamischer gestaltet sich der Anstieg beim Silber – der „kleine Bruder“ von Gold kletterte am Freitag auf 31,7 Dollar und startete am Donnerstag vor der Entscheidung der EZB bei 32,8 Dollar in den Handel.
Das Treffen des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) hat heute weitere Bewegung in den Edelmetall-Markt gebracht. Das Ergebnis: Die EZB will weitere Anleihen kriselnder Euro-Staaten aufkaufen. Die Entscheidung für unbegrenzte Anleihekäufe wird von vielen Experten als Tabubruch verstanden – Bundesbankchef Jens Weidmann und der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, sprachen sich dagegen aus und bezeichnen den Schritt als „falsches Signal“. Denn die Möglichkeit des unbegrenzten Anleihekaufs bedeutet indirekt eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse – oder mit einem Wort zusammengefasst: Inflation.
Welche Gefahr der nun beschlossene EZB-Freibrief zum Kauf von Staatsanleihen bedeutet, verdeutlicht eine weitere Meldung, die auf den ersten Blick gar nicht so dramatisch klingt: Slowenien könnte schon bald unter den Rettungsschirm schlüpfen. Der einzige Euro-Musterschüler ist innerhalb des gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraums ein Winzling, der Finanzbedarf des krisengeschüttelte Landes dürfte bei etwa einer Milliarde Euro liegen – mehr als jedes dritte Euro-Land würde dann am Tropf der Rettungsfonds EFSF oder ESM hängen, Slowenien wäre nach Griechenland, Spanien, Portugal, Irland und Zypern bereits der sechste Pleite-Kandidat. Die Regierung in Ljubljana vermutet, dass bereits im Oktober die Rücklagen aufgebraucht sein könnten. Die Entscheidung der EZB für unbegrenzte Anleihekäufe wäre auch für Slowenien relevant: Die EZB will Staatsanleihen mit hohen Renditen aufkaufen, um den Druck von den jeweiligen Ländern zu nehmen. Und slowenische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren liegen derzeit bei 6,9 Prozent und damit höher als beuspielsweise spanische Staatsanleihen mit 6,8 Prozent. Dass die europäische Schuldenkrise längst zu einer Pest geworden ist, die immer schneller um sich greift, zeigt die Entwicklung des slowenischen Schuldenberges – die Verbindlichkeiten des Landes haben sich in nur vier Jahren mehr als verdoppelt.
Und die nächste Stunde der Wahrheit dürfte schon morgen bevorstehen – diesmal allerdings nicht für die Euro-Zone, sondern für die USA. Das US-Arbeitsministerium veröffentlicht die aktuellen Arbeitslosenzahlen. Und nachdem sich US-Notenbankchef Ben Bernanke noch in der vergangenen Woche mit einer dritten geldpolitischen Lockerung zurück gehalten hat, könnten entsprechende Schritte direkt mit den neuen Arbeitsmarktzahlen in Zusammenhang stehen. Bernanke hatte weitere Konjunkturspritzen zur Stützung der US-Wirtschaft bei Bedarf angekündigt. In den vergangenen Tagen war in den US-Medien vermehrt zu lesen, dass die FED eine weitere Belebungsmaßnahme der US-Wirtschaft in die Wege leitet, wenn weniger als 100.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Unterdessen dringen immer weitere finanzpolitische Schreckensmeldungen aus den USA an die Öffentlichkeit: Wie das US-Finanzministerium jüngst bekannt gab, hat die Staatsverschuldung der USA die Marke von 16 Billionen US-Dollar überschritten. Zum Vergleich: 2009, als Barack Obama das Präsidentenamt übernahm, waren es noch rund 10 Billionen US-Dollar. Der Staatshaushalt wird vor allem durch den Kampf gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise gedrückt, 800 Milliarden Dollar hat US-Präsident Obama für ein Konjunkturprogramm bereit gestellt. Der US-Haushalt liegt inzwischen nur noch knapp unter der Schuldengrenze von 16,9 Billionen US-Dollar. Und während die Schulden steigen, sinkt die Wettbewerbsfähigkeit der USA: Das World Economic Forum in Genf hat die Vereinigten Staaten im aktuellen Ranking der Wettbewerbsfähigkeit um zwei Plätze herabgestuft, die USA rangieren nun auf dem siebten Platz.
Die aktuelle Handelswoche hat abermals bewiesen: Es sieht also nicht gut aus für Euro und Dollar. Edelmetall-Anleger dürften jedoch anhand der Kursentwicklungen bemerkt haben, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben: Auf Dollarbasis hat der Goldpreis in den vergangenen vier Wochen um sechs Prozent zugelegt, in Euro sind es vier Prozent. Der Shooting-Star auf dem Edelmetallmarkt ist jedoch zweifelsohne Silber: Das weiße Metall stieg in den vergangenen vier Woche in Dollar um 18 Prozent und in Euro um 16 Prozent. Und ein weiterer Kursturbo könnte schon am Freitag gezündet werden, wenn die US-Arbeitsmarktzahlen vorliegen.
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