Marktbericht KW 35: Kriegsangst in Nahost, Bankrottangst in den USA – ohne Gold als sicheren Hafen geht es nicht
Auf den Finanzmärkten ziehen finstere Wolken auf – nachdem ein Militärschlag gegen Syrien als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgaseinsatz des Assad-Regimes offenbar kurz bevor steht, flüchten Anleger massenhaft aus Aktien. Der DAX brach um etwa 2,5 Prozent ein, andere Indizes gingen sogar mehr als drei Prozent in die Knie. Die Angst vor einem Krieg gegen das Assad-Regime trieb dagegen den Preis für Öl in die Höhe. Nur eine Investorengruppe hatte am Mittwoch erneut gewonnen: Besitzer von Gold und Silber. bDer Goldpreis legte infolge der Kriegsgefahr um etwa ein Prozent zu. Spätestens jetzt, wo der Militärschlag gegen Syrien offenbar längst beschlossene Sache ist, dürfte klar sein: Ein „sicherer Hafen“ wie Gold ist so wichtig wie lange nicht mehr. Und alle Investoren, die sich nicht verunsichern ließen, sondern ihr Gold behielten, lagen goldrichtig.
Das Gewitter auf den Finanzmärkten braut sich allerdings nicht ausschließlich über Syrien zusammen – praktisch alle Krisenherde, die in den vergangenen Wochen in Vergessenheit geraten sind, sind zurück auf die Bildfläche gekommen: In den USA steigt die Gefahr eines Staatsbankrottes mal wieder an. Schon im Oktober wird die Schuldengrenze von 17 Billionen US-Dollar erreicht sein, warnt Finanzminister Jack Lew und vermutet, dass die Finanzmärkte erschüttert und die Wirtschaft empfindlich getroffen werden könnte. Denn wenn die Schuldengrenze erreicht ist, darf das Land keine neuen Kredite aufnehmen und wäre sofort zahlungsunfähig. Und die Hoffnungen der US-Notenbank, bald die geldpolitischen Lockerungen zurückfahren zu können, wären auf absehbare Zeit vom Tisch gefegt. Denn die FED hatte diesen Schritt an eine weitere Erholung auf dem Arbeitsmarkt sowie der Konjunktur gekoppelt. Der bevorstehende Militärschlag gegen Syrien wird allerdings zusätzliche Kosten verursachen, mit denen auch die Weltmacht USA an den finanzpolitischen Abgrund getrieben werden könnte.
Der Goldpreis erfährt aus diesem Grund einen Auftrieb, der bereits jetzt einen Teil der empfindlichen Verluste der vergangenen Monate wieder ausgeglichen hat. Im 1. Quartal 2013, wo der Goldpreis stark eingebrochen war, ist die Nachfrage steil nach oben geschossen – allein die börsengehandelten Fonds (Exchange Traded Funds) haben im ersten und zweiten Quartal 2013 rund 600 Tonnen physisches Gold verkauft, vor allem Goldbarren. In Indien wurden trotz der staatlichen Repressalien immer mehr Goldbarren und nicht mehr so stark wie früher Schmuck gekauft. Noch besser als Gold entwickelt sich aktuell Silber. Der Silberpreis ist nahezu unbemerkt um gut 30 Prozent nach oben geschossen, vor allem wegen der Nachfrage aus Indien, wo Silber als Ersatz für Gold verstanden wird. Gold ist im Schatten von Silber um etwa 18 Prozent seit seinem Tiefpunkt im Juni gestiegen.
Auf dem Goldmarkt hat die Kriegsangst in Nahost in Verbindung mit der Bankrottangst in den USA inzwischen zu einer skurillen Situation geführt, die Marktbeobachter als „backwardation“ bezeichnen. Dabei sind die Futures auf die Lieferung von Gold in der Zukunft billiger als der aktuelle Goldpreis. Was eigentlich undenkbar ist, weil durch Termingeschäfte geliehenes Geld nötig ist und damit Kosten verbunden sind, wird jedoch durch massive Lieferengpässe auf dem Goldmarkt hervorgerufen. Erstaunlich ist, dass die derzeitige Backwardation beim Gold bereits Anfang Juli begonnen hat und bis heute anhält. Wegen dieser beispiellos langen Zeitspanne gehen zahlreiche Analysten davon aus, dass ein außergewöhnlicher Anstieg beim Gold aufgrund der anhaltenden Nachfrage bevorsteht. Außerdem wird inzwischen sehr deutlich, warum der Goldpreis in den vergangenen Monaten gefallen war – verantwortlich war nicht das „echte“ Gold“, sondern Papiergold und die damit verbundenen Zocker-Wetten auf fallende Goldpreise. Hier ist inzwischen eine Lücke zwischen Papiergold auf der einen und physischem Gold auf der anderen Seite entstanden.
In der aktuellen Woche ist eindrucksvoll deutlich geworden, dass die vielen vermeintlichen Gründe gegen Gold wie ein Kartenhaus zusammengestürzt sind. Denn die Entwicklung der Weltwirtschaft ist alles andere als absehbar. Die Kriegsangst schüttelt die Aktienmärkte durcheinander, die Eurokrise verschärft sich von Tag zu Tag – und im September muss die Bundesregierung nach der Wahl endlich Farbe zu einem neuen Schuldenschnitt für Griechenland bekennen. Denn das Land hat die Luft, die der frühere Schuldenschnitt gebracht hat, längst verbraucht: Der gewaltige Schuldenberg von über 300 Milliarden Euro, wächst von Monat zu Monat. Auf bis zu 176 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) soll die Schuldenlast bis zum Jahresende steigen. Weil sich die Griechen unter diesen Umständen kein Geld mehr an den Kapitalmärkten leihen können, ist ein Schuldenschnitt so gut wie unvermeidlich.
Besonders erstaunlich sind in diesem Zusammenhang die Vereinbarungen, die Griechenland mit den internationalen Geldgebern geschlossen hat: Ein Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent und Einnahmen aus Privatisierungen von 22 Milliarden Euro soll erreicht werden, damit der Schuldenstand wieder tragfähig ist. Doch zwischen diesem Ziel und der Realität liegen Lichtjahre – die Jugendarbeitslosigkeit liegt auf Rekordniveau, die Zielvorgaben für Privatisierungserlöse wurden dagegen mehrfach nach unten korrigiert. Warum die Griechen abermals das Vertrauen ihrer internationalen Geldgeber enttäuschen ist unklar. Fest steht dagegen, dass der deutsche Fiskus etwa 25 Milliarden Euro aus Steuergeldern abschreiben muss, wenn ein Schuldenschnitt von 50 Prozent erreicht wird. Rechnerisch zahlt jeder Deutsche somit etwa 300 Euro für Griechenland.