Was ein Börsen-Crash für neue Anleger bedeutet
Am 25. Oktober 1929, dem „Schwarzen Freitag“, verloren viele Amerikaner alles. Panik breitete sich an der New Yorker Wall Street aus wie ein Lauffeuer. Menschen schrien, weinten, liefen durcheinander. Broker warfen sich verzweifelt aus den Fenstern, als der Dow Jones innerhalb von Tagen über 20 Prozent einbrach und einzelne Aktien sogar 99 Prozent ihres Wertes verloren. Zeitungen berichteten von Bankenzusammenbrüchen, von Tausenden Arbeitslosen. Es war der Beginn der Weltwirtschaftskrise – und der Moment, in dem viele Menschen ihr Vertrauen in den Kapitalmarkt verloren.
Fast 100 Jahre später schauen im März und April 2025 auch in Deutschland viele Menschen entsetzt auf ihre Depots – und erleben zum ersten Mal, was es heißt, wenn die Börse crasht. Die Kurse rauschen innerhalb weniger Wochen in den Keller, Tech-Aktien verlieren bis zu 40 Prozent, ETFs korrigieren zweistellig. Die Illusion der „Aktie als Sparbuch“ ist für viele Deutsche über Nacht zerbrochen. Für viele Einsteiger fühlt sich der Blick ins Depot an wie ein Albtraum in Echtzeit – und manche packt die Scham: Wie soll ich meiner Frau erklären, dass der ETF-Sparplan für unseren Sohn innerhalb weniger Wochen um 10 Prozent an Wert verloren hat?
Diese Ausnahmesituationen sind höchstwahrscheinlich keine Einzelfälle. Denn die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Laut Deutschem Aktieninstitut besaßen im Jahr 2019 etwa 9,7 Millionen Deutsche Aktien oder Fondsanteile. Bis 2024 stieg diese Zahl auf über 12,3 Millionen – ein Rekord. Und nie zuvor waren so viele junge Menschen und Berufseinsteiger mit dabei. Direct Broker machten Investieren einfach wie Online-Shopping und Verbraucherschützer trommelten für die Aktie als neues Sparschwein – aber sie bereiteten niemanden auf das vor, was eines Tages passieren musste und nun passiert ist.
Viele dieser neuen Anleger erleben jetzt ihren ersten Crash – und damit eine echte Reifeprüfung. Die Zahlen im Depot sind plötzlich rot, der Depotwert schrumpft, Angst macht sich breit. Aber genau jetzt ist es entscheidend, nicht in Panik zu verfallen. Denn: Verluste werden erst real, wenn man verkauft. Wer bei Börsencrashs die Ruhe bewahrt hat, wurde langfristig oft belohnt. Die Geschichte der Börse zeigt: Nach jedem Einbruch folgt auch wieder ein Aufschwung. Denken Sie nur an den Corona-Crash – damals stürzte der DAX auf unter 9.000 Punkte. Wer damals kaufte, hat seinen Einsatz in fünf Jahren mehr als verdoppelt.
Psychologisch gesehen neigen Menschen in Stresssituationen zu Kurzschlussreaktionen – das nennt man „Loss Aversion“. Der Schmerz eines Verlusts wiegt doppelt so schwer wie die Freude über einen Gewinn. Deshalb wollen viele ihr Geld „retten“ und verkaufen gerade dann, wenn die Kurse am niedrigsten sind. Rational ist das nicht – aber menschlich. Zumal weiß niemand, was US-Präsident Donald Trump noch an Strafzöllen enthüllt – und wie China oder die EU reagieren.
Auch der sogenannte „Recency Bias“ spielt eine Rolle: Wir glauben, dass das, was gerade passiert, auch in Zukunft so weitergeht. Wenn die Kurse fallen, fühlen wir uns sicher, dass sie weiter fallen. Dieser Bias wirkt nach der langen Aufwärtsbewegung der Börsen nun doppelt schwer – hat man doch Tag für Tag miterlebt, dass Aktien nur eine Richtung kennen, nämlich nach oben. Doch Börsenzyklen folgen anderen Regeln und agieren nicht menschlich-emotional. Wer in Panik verkauft, verpasst oft die Erholung – und damit die besten Renditephasen.
Wer schon länger mit Aktien, Edelmetallen oder anderen Anlageklassen operiert, hat sicher auch schon mal bei einem Crash panisch verkauft – und später teuer zurückgekauft. Doch dabei hat man eine wertvolle Erkenntnis gewonnen: Die Börse ist kein Selbstläufer. Aber sie ist im 21. Jahrhundert (leider) eine der wenigen Möglichkeiten, Vermögen aufzubauen – doch sie braucht Geduld.
Ein besonders gutes Beispiel für langfristiges Denken ist der ETF-Sparplan fürs Kind – ein Thema, dass gerade sicher viele Eltern schmerzt, die ihren Jüngsten nur etwas Gutes tun wollen und jetzt mit roten Zahlen klarkommen müssen. Natürlich, beim guten alten Sparbuch wäre das nicht passiert – allerdings hat die Inflation hier für unsichtbare rote Zahlen in Form eines Kaufkraftverlustes gesorgt.
Inzwischen investieren immer mehr Eltern oder Großeltern monatlich in einen breit gestreuten Fonds, um zum 18. Geburtstag ein finanzielles Polster zu schaffen – für Führerschein, Studium oder die erste Wohnung. Der Anlagehorizont liegt dabei oft bei zehn bis fünfzehn Jahren. Ein Crash wie der im Frühjahr 2025 ist in diesem Zeitraum – auch wenn dies heute schwer vorstellbar ist – wohl nur ein kurzer Ausschlag nach unten und nicht mehr als eine Delle auf einem langfristigen Kursverlauf. Wer jetzt in Panik verkauft, nimmt dem Kind genau die Chance, von der langfristigen Erholung und den Zinseszinseffekten zu profitieren. Das Gleich gilt für regelmäßige Edelmetallkäufe und die langfristige Rendite, die in der Vergangenheit unbestreitbar erzielt wurde.
Deshalb: Schalten Sie die Push-Nachrichten aus, schauen Sie nicht mehrmals täglich ins Depot, und sprechen Sie mit Menschen, die schon länger investieren. Vertrauen Sie auf Qualität, Diversifikation und langfristiges Denken. Und ja, auch auf sich selbst. Ein Börsencrash ist nie angenehm – aber er gehört dazu. Wer ihn übersteht, gehört danach nicht mehr zu den Neulingen, sondern zu den Erfahreneren. Willkommen im echten Leben der Börse.