Goldpreis unter Druck – Auf Umwegen in den sicheren Hafen
Die kalte Jahreszeit ist vorbei, ein laues Lüftchen weht durch Deutschland, die Sonne läuft sich warm – und auch an den Finanzmärkten machen sich leichte Frühlingsgefühle breit. „Ist die Finanzkrise vorbei?“ war in den vergangenen Wochen immer wieder in den Wirtschaftsteilen der großen Tageszeitungen zu lesen – und so mancher Kommentator stellt den Sinn von Gold als Krisenschutz in Frage. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung hält es sogar für möglich, dass mit dem Goldpreis bald die nächste Blase platzt. „Gold verliert den Status als sicherer Haden an den Dollar“ titelt WELT ONLINE. „Edelmetallpreis auf Sinkflug: Gold ist kein sicherer Krisenschutz mehr“ heißt es bei Focus Online.
Tatsächlich liegen hinter Edelmetall-Investoren zwei harte Wochen – von Tag zu Tag sackte der Goldpreis weiter ab, in der Spitze verlor das gelbe Metall in der vergangenen Woche bis zu 20 Prozent seines Wertes im Vergleich zum Allzeithoch vom September 2011 und notierte zeitweise bei lediglich 1.520 Dollar – bereits beim Unterschreiten von 1620 Dollar war damit der seit dem Spätherbst 2008 entstandene mittelfristige Aufwärtstrend verletzt, das als „Krisenschutz“ bekannte Metall charttechnisch angeschlagen. Und schon versammelten sich die Kommentatoren in der Tagespresse, die das Ende der Goldhausse prophezeiten. Doch das Gold überraschte gegen Ende der vergangenen Woche auch seine schärfsten Kritiker: Innerhalb von nur zwei Tagen gewann es etwa fünf Prozent an Wert zurück gewinnen – und das, obwohl die Investoren weiter ihr Geld in den vermeintlich sicheren US-Dollar und in Staatsanleihen umschichten.
Wer am Investment in Edelmetalle zweifelt, sollte kritisch überprüfen, ob der europäische Patient das Gröbste bereits überstanden hat. Macht es wirklich keinen Sinn mehr, seine Euros gegen Gold zu tauschen, weil die Gemeinschaftswährung auf dem Weg zum neuen Symbol für Stabilität wird? Allzu großer Euro-Optimismus und Edelmetall-Pessimismus ist keinesfalls angebracht – fest steht: Die Schuldenlast der europäischen Staaten ist keinesfalls gesunken – der Schuldenstand legte zwischen 2010 und 2011 sogar noch zu und stieg von 85,3 Prozent auf 87,2 Prozent. Weiterhin fallen gleich mehrere Staaten mit besonders hohen Schuldenlasten auf. In Irland beläuft sich der Fehlbetrag im Staatshaushalt auf 13,1 Prozent, in Griechenland auf 9,1 Prozent in Griechenland – und dicht folgt Spanien mit 8,5 Prozent.
Die europäische Malaise zieht also offenbar vom Osten in den Westen des Mittelmeerraums weiter. Die Märkte zweifeln an den Sparanstrengungen der Spanier, die Zinsen für kurzfristige Staatsanleihen haben sich in kürzester Zeit verdoppelt. Der Internationale Währungsfonds hält das Finanzsystem immer noch für anfällig. Noch drastischer drückt sich ausgerechnet der spanische Haushaltsminister Montoro aus – er bezeichnete sein Land als „extrem anfällig“. Immerhin ist die Volkswirtschaft gerade erst in die Rezession abgerutscht, das umfangreiche Sparprogramm kratzt an der Substanz der stolzen Nation. Denn die Krise trifft – wie in Griechenland – vor allem das ganz normale Volk. Sozialleistungen werden zusammengestrichen, Stellen im öffentlichen Dienst abgebaut. Jeder zweite Spanier unter 25 Jahren ist arbeitslos, mit 22,9 Prozent erreicht Spanien im europäischen Vergleich einen traurigen Rekord bei der landesweiten Arbeitslosenquote.
Dieses kollektive Elend in einem der großen EU-Staaten gerät in diesen Tagen jedoch aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit, die Augen sind auf Griechenland gerichtet – und dort steht mit dem Euro-Austritt ein Szenario, welches noch vor einem halben Jahr von allen Politikern auf der europäischen Ebene ausgeschlossen wurde, kurz bevor: Der Austritt eines Landes aus der Euro-Zone. Falls die Griechen sich im Juni gegen den harten Sparkurs entscheiden, dürfte sich das Land jedoch nicht nur aus der Euro-Zone, sondern auch aus dem 21. Jahrhundert verabschieden und um Jahrzehnte zurück geworfen werden – und Europa wird, das steht schon heute fest, auch dann noch Geld nach Griechenland überweisen müssen, wenn das Land nicht mehr mit Euro zahlt.