Marktbericht KW 31: Staatsbankrott in Argentinien sorgt für Run auf Gold

Seit Tagen herrscht eine gespenstische Ruhe an den Finanzmärkten – der DAX hat seine Rekordjagd in Richtung der 10.000-Punkte-Marke beendet und pendelt um 9.600 Punkte. Gold rangiert stabil um die Marke von 1.300 US-Dollar pro Feinunze und hat eine neue Unterstützungslinie bei 1.290 US-Dollar etabliert. Heute Abend dürfte jedoch Bewegung in die Märkte kommen – mit starken Ausschlägen sowohl bei Aktien als auch bei Edelmetallen. Die Gründe sind bekannt, aber noch nicht eingepreist: Die US-Notenbank FED gibt am Abend neue Einblicke in ihre künftige Fiskalpolitik. Und ein Land steht vor dem Staatsbankrott.

Obwohl sie nunmehr vier Wochen Zeit hatten, ist es den Vertretern der argentinischen Regierung sowie zwei US-amerikanischen Hedgefonds nicht gelungen, eine Einigung im
erbitterten Streit über die Auszahlung von Anleihen zu erzielen. Nachdem sich die Fonds aus einem Schuldenschnitt für die in Dollar ausgegeben argentinischen Staatsanleihen zurückgezogen hatten, stellte die Regierung in Buenos Aires auf „stur“: Sie weigerte sich, den geforderten Betrag von 1,33 Milliarden Dollar plus Zinsen auszuzahlen, so wie es zuvor ein New Yorker Gericht festgelegt hatte. Die Regierung in Buenos Aires hat wochenlang auf Zeit gespielt – und genau diese Zeit ist heute um Mitternacht vorbei. Dann wird aus der „technischen“ eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit, wie mehrere Ratingagenturen klargestellt haben. Klein beigeben wird Argentinien in den letzten Stunden nicht mehr, denn das Land muss alle Gläubiger gleich behandeln – wenn Argentinien also den Richterspruch erfüllt, wäre der mühsam verhandelte Schuldenschnitt mit allen anderen Gläubigern hinfällig und Argentinien augenblicklich pleite.

Dass dieser Fall nun trotzdem eintritt, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Denn die Gefahren eines Scheiterns der Verhandlungen waren bekannt und wurden vom New Yorker Gericht, dem
Internationalen Währungsfonds (IWF), der Schwellenländergruppe G77 und sogar der US-Regierung wiederholt beschworen. Alle haben vor unabsehbaren Folgen eines argentinischen Staatsbankrotts gewarnt. Und was macht Argentinien? Die Regierung weigerte sich bis zuletzt, direkte Verhandlungen mit den Hedgefonds aufzunehmen. Im Büro eines New Yorker Wirtschaftsmediators spielten sich groteske Szenen ab: Die argentinische Delegation saß in einem Zimmer, die Vertreter der Hedgefonds im anderen – und die Unterhändler hetzten von Zimmer zu Zimmer, um Botschaften zu übermitteln und Absagen sowie weitere Drohungen auszutauschen. Die argentinische Regierung investierte ihr Geld lieber in ganzseitige Tageszeitungsanzeigen in aller Welt, um Stimmung gegen die „Geierfonds“ zu machen.

Dass mit dieser Verweigerungshaltung der Weg in den Staatsbankrott vorgezeichnet war, hätte allen Beteiligten klar sein müssen. Doch wenn heute im Laufe des Tages kein Durchbruch erzielt wird und das Land wie bereits 2002 als zahlungsunfähig gilt, dürften die Märkte erst jetzt wachgerüttelt werden. Zwar ist Argentinien seit Jahren vom freien Kapitalmarkt abgeschnitten. Doch die Weltwirtschaft ist eng mit Argentinien verflochten. Und der lockere Umgang mit einem möglichen Staatsbankrott dürfte Anleger in aller Welt in Aufruhr versetzen – der Fall „Argentinien“ verdeutlicht eindrucksvoll, welchen Wert Staatsanleihen mit vermeintlich attraktiven Renditen wirklich haben. Und wenn heute Nacht nach der offiziellen Abstufung durch die Rating-Agenturen der Staatsbankrott offiziell ist, der Wechselkurs des Peso abermals unter Druck kommt, die bereits auf 40 Prozent gestiegene Inflation weiteren Auftrieb bekommt und das Bruttoinlandsprodukt weiter sinkt, werden sich alle Investoren freuen, die rechtzeitig vorgesorgt haben.

Und entsprechende Vorsorgen werden am heutigen Tag tatsächlich getroffen – bis zur letzten Minute. Das Handelsaufkommen bei den führenden Edelmetallhändlern in Deutschland, darunter auch MP Edelmetalle, hat in den vergangenen Tagen stark zugenommen. Am Hauptsitz in Erndtebrück sowie den Filialen in Düsseldorf, Köln, Siegen und Hannover sind nur einzelne Kunden zu beobachten, die ihr Gold verkaufen wollen. Die überwältigende Mehrheit bleibt auf der Käuferseite. Und die Handelsvolumen der vergangenen Tage lassen erahnen, dass hier das Investment aus anderen Anlageklassen in Gold umgeschichtet wird. Viele Kunden wollen sich die Preise um 1000 Euro pro Feinunze Gold sichern, bevor der Kurs in den nächsten Tagen in die Höhe schnellt. Sicher ist eine solche Hausse freilich nicht, doch Sachwerte sind als Schutz gegen Geldentwertung und Staatsbankrotte längst wieder zur ersten Wahl geworden.

Das argentinische Drama geht also in der heutigen Nacht in die nächste Runde – und es werden weitere folgen. Gerade erst hat der frühere Finanzsekretär Guillermo Nielsen, der auch den letzten Schuldenschnitt verhandelt hatte, vor einem Zusammenbruch der Umschuldung gewarnt. Denn die Gläubiger der Umschuldungs-Anleihen könnten die Papiere kurzfristig fällig stellen. Wenn 25 Prozent aller Gläubiger dies tun, wären auf einen Schlag 29 Milliarden Dollar fällig. Und die Argentinier, die bisher noch über Devisenreserven für fünf Monate verfügen, hätten ihre Rücklagen von 22,9 Milliarden Dollar sofort aufgebraucht.

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