Marktbericht KW 27: Nach dem Goldpreisrutsch: Die Aufholjagd hat begonnen

Können Sie sich noch an den Weltuntergang erinnern, der sich in den vergangenen Wochen auf dem Edelmetallmarkt abspielte? Der Goldpreis kannte plötzlich kein Halten mehr, es ging praktisch bodenlos nach unten. Die großen Geldhäuser unterboten sich mit neuen Preisprognosen, allerorten war zu hören dass der „sichere Hafen“ Gold nicht mehr gebraucht wird, weil die US-Wirtschaft boomt und die FED die Politik des billigen Geldes bald einstellen könnte.

Inzwischen wurden alle Gold-Kritiker allerdings wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt – denn pünktlich zum neuen Monat hat der Goldpreis einen sogenannten „rebound“ vollbracht und am vergangenen Freitag eine regelrechte Rallye gestartet, die sich auch am Montag und Dienstag fortsetze. Allein am Freitag legte Gold um über 40 Dollar zu, aktuell hat sich der Preis um die Marke von 1250 US-Dollar oder 960 Euro pro Feinunze stabilisiert. Damit ist noch lange nicht der Großteil des Goldpreisrutsches aufgeholt, aber die ersten Schritte in Richtung alter Stärke sind getan.

Doch woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Möglicherweise haben manche Marktbeobachter im Kritikrausch vergessen, dass sich die fundamentalen Rahmenbedingungen für Gold keinesfalls verschlechtert haben – im Gegenteil, die Liste der Argumente für den „sicheren Hafen“ wächst von Tag zu Tag: Die drohende Kreditklemme in China, die Auswirkungen der automatischen Haushaltskürzungen in den USA, die neuen Hiobsbotschaften aus der Eurozone – von der Aufhellung der Weltkonjunktur ist nirgendwo etwas zu sehen. So ist es auch wenig verwunderlich, dass die Aktienmärkte immer stärker unter Druck stehen, allen voran der DAX. Denn während Gold steigt, schrumpft der Deutsche Aktienindex von Tag zu Tag.

Für vorsichtige Marktbeobachter kam die Goldpreiserholung nach dem regelrechten Ausverkauf wenig überraschend. Denn vor allem aus den USA sind keinerlei Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft zu vernehmen. Gerade erst wurde das amerikanische Bruttoinlandsprodukt auf 1,8 Prozent nach unten korrigiert – und auch diese Zahlen sind geschönt: Auf Basis der europäischen Rechenformel hätte das Bruttoinlandsprodukt der USA nur um rund 0,45 Prozent zugelegt. Die FED geht zudem davon aus, dass die Arbeitslosenquote in der zweiten Jahreshälfte 2014 auf sieben Prozent fallen könnte – Ben Bernanke hatte ursprünglich angekündigt, dass die Politik des billigen Geldes erst dann eingestellt wird, wenn die Arbeitslosigkeit nachhaltig unter 6,5 Prozent fällt. Wie auf dieser Grundlage schon jetzt von einer Abkehr der Anleihekäufe die Rede sein kann, ist schlichtweg unverständlich.

Es ist daher erstaunlich, welche dramatischen Auswirkungen die vorhersehbare und im Detail wenig haltbare Aussage des FED-Präsidenten Ben Bernanke hatte – es wird auch künftig keine Alternative zur Politik des billigen Geldes geben. Denn in Asien und Europa halten die Notenbanken an ihren Niedrigzinsen fest – und wenn in den USA die Zinsen steigen, werden auch die Zinsen für Anleihen steigen. Und dann kostet das Schuldenmachen den US-amerikanischen Haushalt noch mehr und dreht die Schuldenspirale weiter in den Abgrund. So ist es auch kaum verwunderlich, dass einige Mitglieder des US-Offenmarktausschusses sofort nach der Bernanke-Rede klarstellten, dass mit einer Rücknahme des Anleihekaufprogramms in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei.

Während die Finanzmärkte gebannt auf neue Anhaltspunkte zur Entwicklung der US-amerikanischen Wirtschaft warten, spielt sich vor der eigenen Haustür ein ökonomisches – und längst auch ein menschliches – Drama ab: Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in den südlichen Euroländern inzwischen bei über fünfzig Prozent. Die Griechen führen Europa währenddessen mal wieder an der Nase herum, sie erhoffen sich für zuverlässigen Schuldenabbau einen weiteren Schuldenschnitt. Kurios ist in diesem Zusammenhang, dass die EU offenbar die Auszahlung der nächsten Hilfstranche in Frage stellt, weil Griechenland weiterhin zu wenig für den Schuldenabbau tut. Das Mittelmeerland könnte also schon bald wieder kurz vorm Staatsbankrott stehen, genauso wie Zypern – der Pleitekandidat wurde gerade erst von den Ratingagenturen auf „begrenzter Zahlungsausfall“ herabgestuft. In Portugal bahnt sich eine Regierungskrise an, nachdem zwei Minister zurück getreten sind. Kurzum: In der Eurokrise ist keinerlei Entspannung zu beobachten.

Die Zentralbanken in aller Welt nutzen unterdessen den Goldpreisrückgang, um ihre Rücklagen aufzubauen – allein die Türkei hat laut Angaben des World Gold Council wie bereits im Vormonat ihre Goldreserven um 18,2 Tonnen auf nun insgesamt 445,3 Tonnen aufgestockt, auch Russland, Kasachstan, Aserbaidschan und die Ukraine griffen zu. Nur drei Länder bauten ihre Goldbestände ab. Besonders stark ist der Goldhunger in China – die China Gold Association geht davon aus, dass die Goldnachfrage in der Volksrepublik 2013 insgesamt 900 bis 1.000 Tonnen betragen könnte und damit über dem Bedarf von Indien liegt.

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